29. Januar 2024
In einem Modellvorhaben des Bundes wurde in den letzten vier Jahren in den Regionen Prättigau/Davos und Albula Wege gesucht, um auf demographische Veränderungen zu reagieren und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der nun veröffentlichte Schlussbericht enthält fünf praxisorientierte Handlungsanleitungen für Gemeinden und einen Leitfaden für die Umsetzung von Projekten. Und er benennt die Herausforderungen für die Wohnraumentwicklung in Berggebieten deutlich.

Entwicklung von Wohnstandort-Profilen, umfangreiche Befragungen der älteren Generationen und der Zweitwohner, anspruchsvolle Dialog-Veranstaltungen in den Gemeinden für die Dorfkernentwicklung, Suche nach bezahlbaren Lösungen für Mehrgenerationen-Wohnraum: im Modellvorhaben "Wohnraumstrategie für Senioren und andere Neustarter", das 2020 in den Regionen Albula und Prättigau/Davos lanciert wurde und das nun nach vier Jahren wie geplant abgeschlossen wird, wurden verschiedene Instrumente angewendet und Teilprojekte umgesetzt. Das wichtigste Ziel war es, zu zeigen, wie in Gemeinden im Berggebiet aktiv bedürfnisgerechter und bezahlbarer Wohnraum entwickelt werden kann, um auf die demographische Entwicklung zu reagieren und die dezentrale Besiedlung aufrecht zu erhalten.

Entstanden sind fünf anwendungsorientierte Handlungsanleitungen, sogenannte Kochbücher, zu verschiedenen Themen für die Gemeinden, ein Leitfaden sowie ein Schlussbericht. In diesem sind Erkenntnisse zusammengefasst und es werden Schlussfolgerungen gezogen, die aktuelle Herausforderungen, Hürden und Grenzen der Wohnraumentwicklung im Berggebiet mit aller Deutlichkeit aufzeigen.

Kleinräumigkeit als Hürde
Inhaltlich wurde das Modellvorhaben von Joëlle Zimmerli (Zimraum) und Christian Brütsch (Stratcraft) betreut, die als Planungsexperten mit viel Erfahrung aus dem Mittelland den Blick von aussen auf die Bündner Verhältnisse einbrachten. Ihre im Schlussbericht eingestreuten, jeweils als "Blick der Autoren" gekennzeichneten Kurzkommentare, sind aufschlussreich. "Man kennt sich, man misstraut sich, man erinnert sich und man versucht, Konflikten aus dem Weg zu gehen", wird da etwa unter dem Titel "Kleinräumigkeit als Hürde" festgehalten. Entsprechend anspruchsvoll seien an der Basis Planungsprozesse, die im Dialog zu Resultaten führen sollen, was auch Kompromissbereitschaft voraussetze. Verhinderer seien hier klar im Vorteil, so die Beobachtung der Autoren aufgrund ihrer Erfahrungen in den Anlässen und Workshops der Teilprojekte.

Unabhängig davon sind die Herausforderungen für Gemeinden und den Kanton auch so noch gross genug. Ein wesentlicher Grund ist das Zusammenspiel von Raumplanungs- und Zweitwohnungsgesetz, das zu einer Verlagerung der Nachfrage auf den Gebäude-Altbestand führt: "Immer weniger Einheimische können sich altrechtliche Bestandsliegenschaften und neue Erstwohnungen im Eigentum leisten, das Angebot an Mietwohnungen ist knapp und der Raum für gemeinnützige Wohnbauträger ist limitiert". Auch sei die Bevölkerung an den Orten, an denen viel gebaut wurde, wachstumsmüde, die Akzeptanz für Neubauprojekte habe abgenommen. Zudem nutzten Gemeinden die Möglichkeiten der Raumplanung zur Steuerung der Wohnraumentwicklung nicht vollständig aus.

Zu kompliziert für viele Gemeinden
Kritisiert werden im Schlussbericht aber nicht in erster Linie die Gemeinden, sondern die Vorgaben von Bund und Kanton. Die Prozesse seien für die kleinen, fast immer von Milizbehörden geführten Gemeinden schlicht zu komplex. Ohne die Fachleute der Planungsbüros gehe gar nichts, und Konflikte wegen Auszonungen oder Baulandmobilisierungen belasteten die Planungsgeschäfte stark.

Zimmerli und Brütsch schlagen deshalb im Bericht vor, die raumplanerischen Anforderungen an Berggebiete zu überprüfen und zu vereinfachen. Es brauche schlanke, einfach verständliche und für Bergregionen relevante Planungsinstrumente, die auch ohne professionelle Unterstützung genutzt werden können. Der Bund könne die bedürfnisorientierte Wohnraumentwicklung in Berggebieten gezielt fördern, indem er die Zweitwohnungsdebatte neu ausrichte, angepasste Instrumente für die Wohnbauförderung schaffe und innovative architektonische sowie städtebauliche Ideen unterstütze. Auch mehr Konkurrenz bei den Planungsbüros wäre hilfreich für die Lancierung neuer Ideen.

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Das Projekt «Wohnraumstrategie für Senioren und andere Neustarter» wurde im Rahmen des Modellvorhabens Nachhaltige Raumentwicklung 2020-2024 von acht Bundesämtern, vom Amt für Raumentwicklung des Kantons Graubünden, den Regionen Albula und Prättigau/Davos sowie vom Parc Ela unterstützt. Der Themenschwerpunkt «Demographischer Wandel: Wohn- und Lebensraum für morgen gestalten.» wurde vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) begleitet. Zimraum GmbH und Stratcraft setzten das Projekt als externe Beauftragte um.

Zugehörige Objekte

Name
A Modellvorhaben Schlussbericht Download 0 A Modellvorhaben Schlussbericht
B Befragung 70plus Region Albula Download 1 B Befragung 70plus Region Albula
C Befragung 70plus Region Prättigau Davos Download 2 C Befragung 70plus Region Prättigau Davos
D Präsentation Ergebnis Umfrage Zweitwohner Download 3 D Präsentation Ergebnis Umfrage Zweitwohner
E Präsentation Resultate Zweitwohnerbefragung Davoseranstaltung Download 4 E Präsentation Resultate Zweitwohnerbefragung Davoseranstaltung
F Präsentation Resultate Zweitwohnerbefragung Klostersstaltung Download 5 F Präsentation Resultate Zweitwohnerbefragung Klostersstaltung
G Kochbuch Arealprofile Download 6 G Kochbuch Arealprofile
H Kochbuch Dorfkernentwicklung Download 7 H Kochbuch Dorfkernentwicklung
I Kochbuch Eigentümerdialog Download 8 I Kochbuch Eigentümerdialog
J Kochbuch Standortprofile Download 9 J Kochbuch Standortprofile
K Kochbuch Zweitwohnungsbesitzer Download 10 K Kochbuch Zweitwohnungsbesitzer
L Leitfaden Ortsbildschutz Download 11 L Leitfaden Ortsbildschutz